Hartgeld und Hörnchen

Gestern auf dem Weg zur Arbeit: Meine Sfera meldet, dass sie demnächst etwas Kraftstoff benötigen wird. Ich beobachte die orangefarbene Benzinwarnleuchte, die noch unentschlossen flackert und sich nicht entscheiden kann, ob es wirklich schon an der Zeit ist, einen Niedrigstand im Tank zu melden. Lange wird das aber nicht mehr gut gehen. Das weiß ich aus Erfahrung.

Wie schlimm ist es eigentlich bei einem Zweitakter, wenn man ihn trocken fährt? Wird der restliche Kraftstoff noch ausreichen, um das Büro und nach Feierabend die nächste Tankstelle zu erreichen? Ich zögere nur kurz, bevor mir klar wird, dass es sich nicht lohnt, solch ein Risiko einzugehen. Deswegen halte ich wenige Minuten später bei der Shell-Tankstelle neben der Wieslocher Burger-King-Filiale, lege Sturzhelm und Handschuhe ab und greife nach dem Hahn an Zapfsäule 2.

Mit einem sanften Gluckern fließt das Benzin in den Tank. Das riecht immer so lecker. Unter vollständiger Aufbietung meiner eingeschränkten feinmotorischen Fähigkeiten gelingt es mir, den Tank mit "Super 95" für exakt sieben Euro und fünfzig Cent zu füllen. Acht Euro wären besser gewesen, aber mehr geht beim besten Willen nicht in den Tank hinein. Das Benzin ist im Einfüllstutzen schon nach oben gestiegen. Mein Spiegelbild erscheint auf der fünfmarkstückgroßen, schillernden Oberfläche und schaut mich skeptisch an. Es wäre wohl besser gewesen, bei sieben Euro aufzuhören, denn ich habe eine Abneigung dagegen, zu viele Münzen mit mir herumzutragen. Ein- und Zwei-Euro-Stücke sind gerade noch akzeptabel. Alles andere kann ich nicht gebrauchen. Aber wer weiß, vielleicht habe ich es ja auch passend?

Auf dem Weg in den Kassenraum ziehe ich die Geldbörse heraus und prüfe die zur Verfügung stehenden Zahlungsmittel. Zur Auswahl stehen ein Fünf-Euro-Schein, einige größere Scheine und zwei Euro und vierzig Cent in Münzen. Fantastisch. Mir wird nichts anderes übrig bleiben, als mit einem Zehn-Euro-Schein zu bezahlen. Wenn ich Glück habe, wird die Dame von der Tankstelle, im folgenden kurz als "die Dame" oder "die Tankstellendame" bezeichnet, mich mit einem Zwei-Euro- und einem Fünzig-Cent-Stück gehen lassen. Sie hat den Tankvorgang offenbar aufmerksam beobachtet, denn sie begrüßt mich mit einem freundlichen "Die zwei?"

Ich nicke und reiche ihr den Zehn-Euro-Schein. Die Kasse bleibt aber vorerst geschlossen. Schließlich müssen wir zunächst einmal darüber sprechen, an welchen Punktesammelvergütungsprogrammen ich teilnehme. Normalerweise enden Gespräche dieser Art bei mir immer recht schnell. Dabei habe ich gar nichts gegen Punktesammeln. Ich vergesse nur immer, dass ich Programmteilnehmer bin und stoße dann irgendwann, wenn ich meine Geldbörse von historischen Kassenbons und anderem Ballast befreie, auf die entsprechende Karte, die mir schon mit zehn Stempeln einen Fußball von ARAL oder ein kostenloses Mischbrot beim Bäcker einbringen würde, leider aber nur einen einzigen Stempel vom 22. März 2008 trägt. Deswegen nehme ich an so etwas nicht mehr teil. Trotzdem hatte die Tankstellendame eine Überraschung für mich parat. Das Gespräch verlief nämlich wie folgt:

Die Dame: "Haben Sie eine Payback- oder ADAC-Karte?"

Ich: "Nein." Pause. "Doch! ADAC."

Die Dame: Schaut mich erwartungsvoll an.

Ich: "Muss ich da irgendwas ausfüllen?"

Die Dame: "Nein, Sie bekommen automatisch Rabatt."

Ich: "OK, gut. Jetzt muss ich nur noch die Karte finden."

Einige Zeit vergeht.

Die Dame: Zeigt auf eines der Kartenfächer in meiner Geldbörse. "Da ist sie!"

Ich: "Tatsächlich. Ich hatte nach einer gelben Karte gesucht."

Die Dame: "Hehe."

Der automatische Rabatt senkt die zu begleichende Schuld um vier Cent. Die Dame öffnet die Kasse und sucht das Wechselgeld zusammen. Es ist erstaunlich, in wie viele Münzeinheiten sich der Betrag von zwei Euro und vierundfünfzig Cent aufteilen lässt.

Ich gebe mich geschlagen, lasse die neu erworbene Münzsammlung in das Hartgeldfach meiner Geldbörse gleiten und möchte mich verabschieden. Wir sind aber noch nicht fertig. "Wie wäre es mit einem Croissant und einem Kaffee für den Weg?", fragt die Tankstellendame.

Der Gedanke ist in der Tat verlockend, zumal sich hier eine Chance bietet, das Kleingeld gleich wieder loszuwerden. Dann entsteht vor meinem geistigen Auge ein Bild: Ich sitze auf dem Roller und schiebe das Blätterteighörnchen vorsichtig mit der linken Hand in die Visieröffnung meines Integralhelms. Nach einem herzhaften Biss ziehe ich es wieder heraus und gieße mit der anderen Hand einen Schluck Kaffee in dieselbe Öffnung. Die Füße sind noch etwas ungelenk bei der Steuerung des Fahrzeugs, aber es geht trotzdem nichts über ein zweites Frühstück auf dem Weg ins Büro. Ich drehe eine Extrarunde durch den Kreisverkehr beim Arbeitsamt und schiebe das Hörnchen ein weiteres Mal in den Helm. Plötzlich schießt ein Fahrzeug von rechts in den Kreis und nimmt mir die Vorfahrt. Meine Zehen sind zu kurz, um die Bremshebel sicher zu greifen und rutschen ab. Ungebremst kollidiere ich mit dem Wagen. Hörnchen und Kaffee landen auf der Straße. Ein Jammer.

Ich bin zurück in der Wirklichkeit. Die Tankstellendame wartet geduldig auf meine Bestellung. Nachdenklich erwidere ich ihr Lächen und sage: "Nein, danke. Alles gut." Wir wünschen uns frohe Ostern und gehen unserer Wege.